Psychotische Zustände

Dieser Blogabschnitt bekommt von mir mit diesem Beitrag eine Einleitung, welche die Schlüsselszene meiner Biografie „Fesseln der Sucht: Mein Weg zurück ins Glück“ darstellt. Passend zum Thema Psychiatrie war dies damals meine aufwändigste Einlieferung in die Klinik und ich durfte die ganze Palette einer psychiatrischen Einrichtung kennenlernen. Viel Spaß beim Lesen einer meiner schlimmsten Tage …

Psychotische Zustände

Ich lag in einem fremden Bett auf einem weißen Laken, gefesselt an Hand- und Fußgelenken. Über meinem Brustkorb spannte ein Gurt. Ich versuchte, meine Arme und Beine zu bewegen, aber es ging nicht. Ich bemerkte, dass sie mich durch eine Scheibe beobachteten, die den Raum mit dem angrenzenden Zimmer verband. In meinem Kopf herrschte Leere. Ich konnte nichts fühlen.

Ich versuchte, mich zu erinnern, was vorgefallen war. Wie war ich hierhergekommen? Langsam tauchten Bilder in meinem Kopf auf und ich konnte den Tag gedanklich Revue passieren lassen.

Ich erinnerte mich daran, dass ich zu Fuß auf dem Weg zurück in die Klinik war, in der ich wegen meiner Alkohol- und Drogensucht behandelt wurde. Der Tag hätte toll werden können. Die Sonne schien, doch ich war schon mittags völlig betrunken.

Am Bahnhof in Cloppenburg war es mir plötzlich schlecht gegangen. Ich war mir selbst fremd und hatte das Gefühl, ich würde mich von der Seite betrachten. Angst überkam mich mit einer Wucht, die den Boden wanken ließ. Ich zitterte am ganzen Körper. Kraftlos sank ich zu Boden.

Als ich versuchte, mich aufzurichten, stieg Panik in mir auf. Ich konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ich konnte meine Gefühle nicht zuordnen. Alles bereitete mir Angst, ich wusste mir nicht zu helfen und fühlte mich meinen verzweifelten Gefühlen ausgeliefert. Ich hatte die Orientierung verloren und wusste nicht, wo ich war. Ich fühlte mich wie ein Gefangener in meinem Körper. Dann hatte ich wieder das Gefühl, mich außerhalb meines Körpers zu bewegen. Ich konnte mich von außen beobachten, sah mich wie ein Zuschauer von der Seite.

Ich bekam nicht mit, dass der Rettungswagen eintraf. Ich sah nur eine mit Gummihandschuhen bekleidete Hand, die sich mir entgegenstreckte und Hilfe anbot. Ich klammerte mich an den Arm des Mannes, der wohl der Sanitäter gewesen sein muss und nahm seine Hand dankend als Stütze, um aufzustehen.

Ich wäre ihm am liebsten in die Arme gefallen, aber ich sagte nur mit ängstlicher Stimme: »Ich flehe dich an, bitte bitte bitte bleib bei mir !!!« Wir gingen in Richtung Rettungswagen und ich ließ seine Hand nicht mehr los. Dort angekommen setzte sich der Mann neben mich und sprach beruhigend auf mich ein. Er sagte, dass der Arzt mir gleich helfen könne.

Am Krankenhaus angekommen, sah ich die Polizei, die dort offensichtlich schon auf mich wartete. Plötzlich wurde aus meiner Angst aus unerklärlichen Gründen Wut. »Was wollt ihr Vollidioten von mir? Ich brauche eure Hilfe nicht !!!«, beschimpfte ich die Polizisten und ging auf sie los. Daraufhin brachten sie mich zu Fall und ich lag auf dem Boden. Ich war fassungslos und wusste nicht, was nun wieder mit mir los war.

Ich wollte erklären, warum ich mir nicht helfen lassen wollte und konnte es doch nicht, weil ich es nicht

wusste. Ich wollte nur noch fliehen, weg von diesem Ort. Ich wollte allein sein.

Ich weiß nicht, wie lange es dauerte, bis ich mich beruhigte und in Begleitung eines Polizisten zum Arzt hineingehen konnte. Als dieser begann, mich zu begutachten, überkam mich wieder diese Aggression, die ich draußen schon gespürt hatte. Ich bespuckte den Arzt und schrie, als ginge es um mein Leben. Die Polizisten, die neben mir standen, drückten mich auf die Trage und fixierten meine Hände rechts und links mit Handschellen. Ich bekam einen Mundschutz aus Papier, damit ich nicht weiter spucken konnte und der Arzt erklärte mir, was für ein Medikament er mir verabreichte. Ich sollte jeweils eine Tablette Tavor und Diazepam schlucken, was ich auch tat.

Trotzdem beruhigte ich mich nur ein wenig. Mein Herz raste. Ich schwor, dass ich mich für die Lage, in die mich die Polizisten gebracht hatten, rächen würde. Weil aber der Arzt überzeugt war, dass ich mich beruhigen müsse, griff er zu einer Spritze, die er mit Haloperidol aufgezogen hatte. Ich sagte ihm: »Sei bitte gnädig mit der Dosierung der Betonspritze!«

Der Arzt zeigte mir die Spritze, die halbvoll mit einer sandfarbenen Flüssigkeit war und setzte sie in meiner

Armbeuge an. Das war es dann auch schon. Ich war innerhalb von Sekunden komplett over and out …

Was folgte, war die totale innere Leere. Mir sind nur wenige Erinnerungen an die folgenden Geschehnisse geblieben. Ich weiß noch, dass jemand sagte, dass ich nun in die Psychiatrie eingeliefert werde. Wie ich dorthin kam und welchen Weg der Rettungswagen gefahren ist, weiß ich nicht mehr.

In der Psychiatrie angekommen, wurde ich in einen Raum geführt, der kalt und steril war. Man legte mich auf ein Bett und ich wurde an Hand- und Fußgelenken ans Bett fixiert. Außerdem spannte ein Gurt über meinen Brustkorb, sodass es mir nicht möglich war, mich zu bewegen.

Ich war durch das Haloperidol ruhig gestellt und ließ alles über mich ergehen, ohne mich zu wehren.
Nun lag ich dort: Bewegungsunfähig, gefesselt und unter Beobachtung. Ich fühlte nichts mehr und machte mir um nichts Gedanken. Ich bemerkte, wie Tränen über meine Wange kullerten. Sie schmeckten salzig und ließen mich mein Gesicht fühlen.

 

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